Vor ein paar Tagen habe ich 2 QUAD 303 Wracks erworben.
Zustand
Der Zustand ist sowohl optisch als auch technisch niederschmetternd. Aber Herausforderungen sind dazu da, angenommen zu werden.
Frontplatten
Sowohl optisch als auch funktional sind diese Frontplatten nicht mehr zu gebrauchen. Nach diversen Telefonaten (u.a. mit dem sehr freundlichen Herrn Stein von Quad Musikwiedergabe ) hat sich Armand van Ommeren von Quad Revisie in Holland bereit erklärt, mir zwei gebrauchte Faceplates zur Verfügung zu stellen.
Gehäuse
Übersät mit Aufklebern, Kratzern, einigen Roststellen….. benötigen diese sicherlich einen neuen Anstrich. Wie ich den realisieren werde, schiebe ich auf den Zeitpunkt nach der Wiederherstellung der Elektronik auf.
Elektronik
Die Primärsicherung war verbrannt, die Elkos ausgelaufen, das Innenleben der Verstärker stark verschmutzt und zum Teil durch Überhitzung in Mitleidenschaft gezogen. Einfach Einzuschalten habe ich da erst gar nicht probiert. Allerdings besteht Hoffnung, dass die Leistungstransistoren auf dem rückwärtigen Kühlkörper noch in Ordnung sein könnten.
Verbaut sind für das Netzteil ein NEC 2SD555 und vier RCA 38494 für die Endstufen. Anscheinend hat da schon mal jemand repariert. Leider ist der NEC 2SD555 nicht ausreichend dimensioniert . Gegenüber dem Original RCA 40411 fehlt es deutlich am Kollektorstrom.
Type | RCA 40411 | NEC 2SD555 | MJ802 |
Uce | 90V | 250V | 100V |
Ic | 30A | 10A | 30A |
ft | 0,8Mhz | 15Mhz | >2Mhz |
Ptot | 150W | 200W | 200W |
Die zweite Endstufe nutzt noch die komplett originalen Powertransistoren:
1 * 40411 für das Netzeil und 4 * RCA 38494 für die Endstufen. Glücklicherweise sind diese Transistoren laut meinem Transistortester alle in Ordnung, weswegen ich diese Endstufe zuerst bearbeite.
Der 2SD555 wird von mir gegen MJ802 ausgetauscht. Diese Empfehlung für Transistor Ersatztypen stammt aus dem Blog der Firma Dada-Electronics:
Die von mir genutzten Typen sind in grün hervorgehoben:
- TR1: 38494 – 2N3055 MJ15003
- TR2: 38494 – 2N3055 MJ15003
- TR3: 40411 – MJ802
- TR100: BC154 – BC560 BC214C
- TR101/TR107: BC109 – BC109 BC237C BC184K
- TR102/TR103: U17219 – BC546B ZTX304
- TR104: U17229 – BC556B ZTX504
- TR105: 38496 – BC461 2N5322
- TR106: 38495 – BC441 2N5320
- TR200: U17229 – BC556
- TR210: 38495 – BC441
- MR 100/101/105/106 can be replaced by 1N4148
Da ich die Elektronik komplett neu aufbauen werde, muß ich auch die Transistoren TR100 bis TR210 neu beschaffen. Tr105, Tr106 und Tr210 (BC461, BC441) sind zum Teil nur sehr teuer zu bekommen. Daher habe ich nach Alternativen gesucht und auch gefunden:
Position | Type | Pol. | Alternative | Uce |
Tr105 | 38496 | PNP | 2N4033 | 80V |
Tr106 | 38495 | NPN | 2N3019 | 80/140V |
Tr210 | 38495 | NPN | 2N3020/2N3019 | 80/140V |
2N4033 und 2N3019 sind Komplementärpärchen. Ich habe die Transistoren zusammengesucht, die ein gleiches Uf aufweisen.
Neue PCBs ?
Für den Neuaufbau benötige ich neue PCBs. Des öfteren habe ich mit dem Designtool „Eagle“ Schaltungen selbst entwickelt oder existierende Schaltungen von Hand in Eagle nachgezeichnet und ein eigenes PCB Layout erstellt. Dieser Aufwand scheint mir hier jetzt doch zu hoch. Die Suche nach fertigen einzelnen (leeren) PCBs für den Quad 303 in Deutschland/Europa war leider nicht erfolgreich, so daß ich dann doch ein Angebot aus Hongkong für relativ wenige Euros genutzt habe. Die Post war innerhalb von 12 Tagen bei mir.
Neuaufbau
Da es durch den sehr kunstvollen Kabelbaum im Quad 303 zu einer schlechten Kanaltrennung und teils schwer zu handhabenden Einstreuungen kommen kann, habe ich mich entschieden, einem Konzept nach Ideen von Dada Electronics zu folgen, und die neu bestückten Platinen quasi frei fliegend zu verdrahten.
Eine Überarbeitung des Quad 303 Schaltplans dazu findet sich hier
Die Idee basiert darauf, die Verbindungen zu den Spannungspunkten 67V, 0V und dem Minuspol der gleichgerichteten Spannung einzeln auszuführen und den Kabelbaum aufzulösen. Das sieht dann im Ergebnis nicht mehr so „schön“ aus, kommt aber den erwünschten audiotechnsichen Verbesserungen zu gute.
Um die drei oben genannten Potentialpunkte gut zugreifen zu können, habe ich eine Art Sammelschiene gebaut, auf der sich drei Sternpunkte mit jeweils 6 Kontakten befinden.
Achtung: Nichts ist Perfekt. Der Bestückungsaufdruck der Transistorsymbole hat die Emitternase durchgehend auf der falschen Seite. Die Positionen der Transistoranschlüsse sind aber korrekt.
Alle Widerstände sind Metallfilm 1% oder 2%, die dicken 0,33 Ohm sind 3W Mox Widerstände. Die Induktivität L100 ist ein Originalteil von Quad aus einem Quad 405 M1 Modul. Es handelt sich um das Quad Teil L12406A (6,8uH), dass ich durch Umbau der 405er M1 Module zu M2 Modulen gewonnen habe. Die Elkos sind Panasonic FC, alle übrigen kleineren Kondensatoren entweder Styroflex, Mika, MKT, MKP oder MKS Typen. Die Dioden sind originale IS920, ebenfalls aus den 405er Umbaumaßnahmen gewonnen.
Montage und in Betriebnahme
Zunächst wird die Stromversorgung aufgebaut. Dazu wird der Gleichrichter installiert und mit dem Trafo verbunden. Der Trafo liefert ca 60-61 Volt Wechselspannung. Nach der Gleichrichtung sollen 83 Volt zur Verfügung stehen.
Für die Verdrahtung werden 6,3mm und 4,8mm Steckverbinder verwendet.
Die neue Front ist jetzt optisch und funktional wieder ok. Durch Einsatz eines 230V IEC Sockels mit integriertem Schalter und Sicherung kann das freigewordene Loch der Primärsicherung für eine Monacor RCA/Cinchbuchse verwendet werden. Ich verzichte auf die 4 polige DIN Buchse und setze dort die zweite Cinchbuchse ein.
Abgleich
Die Justage der Spannungen und des Ruhestroms erfolgt Dank der 20 Gang Potis sehr schnell und genau.
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- Einstellung von 67 Volt auf den Verstärkermodulen an den Punkten 1/2 und 8/9 mit dem Poti RV200 auf der Netzteilplatine
- Einstellen von 33,5 Volt auf den Verstärkermodulen zwischen dem Punkt 5 und 1/2 oder 8/9 mit den Potis RV100 (jeweils Kanal Links und Rechts)
- Einstellen von 7,5 mV auf den Verstärkermodulen zwischen den Punkten 4 und 6 mit dem Poti RV101. Der Ruhestrom beträgt über den beiden 0,33 Ohm Widerständen dann rund 11,4 mA.
Und was hat es gebracht ?
Die Verstärkermodule spielen auf Anhieb. Die Messwerte für Frequenzgang, Rauschen, Distortion und Intermodulation liegen im Bereich kleiner als 0,03%. Erstaunlich ist in meinen Augen, wie gering die Differenz der Werte zwischen beiden Kanälen ist.
Eingesetztes Material / Bezugsquellen
Da die meisten Geräte die ich wieder aufarbeite mehrere Jahrzehnte alt sind, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Verschmutzung sehr hartnäckig ist. Meistens handelt es sich um einen schwer zu beseitigenden Nikotinbelag. Nikotin ist ein pflanzliches Alkaloid, das in natürlicher Form eine farblose bis bräunliche ölige Flüssigkeit ist. Trocknet Nikotin ein, bildet sich ein öliger, später fester bräunlicher Film.
Dieser Belag lässt sich sehr einfach mit einem Fettlöser wieder entfernen. Grillreiniger sind ähnlich effektiv. Ich verwende den Fettlöser der Fa. Becher (Idealo Link)
Die Transistoren 2N3019 und 2N4033 gibt es beim Elektronikversand Reichelt sehr günstig für weniger 1 € das Stück. Alle anderen Kleinsignaltransistoren lassen sich ebenfalls bei Reichelt bekommen.
Der Brückengleichrichter ist ein B420C35A.
Die PCBs habe ich über eBay bei einem Händler in Hongkong geordert. (ebay Link)